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Lost Tracks 

Einsam, verlassen, einen langsamen Tod sterbend. Kilometerlang fahren wir beim Durchqueren der Atacama-Wüste neben einer aufgegebenen Eisenbahnstrecke. Früher Lebensader und Zeichen von Aufbruch, heute Zeitzeuge und Relikt aus vergangener Epoche. Sie erzählt die Geschichte vergangener Tage, von Aufstieg und Fall, von Träumen und Ängsten.

 

 

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Eisenbahngeleise sind Verbindungen. Wer Geleisen folgt kommt zu Städten, Dörfern oder Fabrikanlagen. Auch dort, wo die Menschen Dörfer und Fabrikanlagen schon lange aufgegeben haben. Stillgelegte Bahnlinien sind Zeugen von Niedergang. Verfall und Zerstörung setzt ein. Sie sterben einen langsamen, einsamen Tod.  Menschen zerstören verlassene Anlagen aus Lust oder aus Wut oder einfach nur aus Langeweile. Andere sprayen die Wände voll und wieder andere holen altes Holz, Stahl und Steine als Baumaterial für ihre Häuser.

 

Verlassene Bahnlinien findet man in Mitteleuropa selten. Oefters im östlichen Europa. Und vor allem auch in Afrika und in Süd-Amerika. Wir sind unterwegs im nördlichen Grenzgebiet zwischen Chile und Argentinien. Hoch in den Anden überqueren die Grenze mehrfach, besuchen Salzseen, Vulkane, karge Hochebenen und durchqueren die Atacama-Wüste.

 

Train de los nubes

Wir passieren den Paso Sico und später die Grenze zwischen Chile und Argentinien. Ein gnadenlose Wellblechpiste führt uns über 200 Kilometer nach San Antonio de los Cobres. Unser Allrad-Fahrzeug wird auf das äusserste gefordert. Ungefähr die Hälfte der Strecke liegt hinter uns, als wir auf die ersten Bergbau-Anlagen treffen. Nur wenig später liegen verlassene Häuser an der Strasse -  ein verfallener Bahnhof. Ehemalige Endstation für Transportzüge. Ab jetzt folgen wir den aufgegebenen Geleise. Nur teilweise sind die Schienen noch vorhanden. Auf weiten Teilen wurden sie abgebaut. Aber noch immer ist das Trassé gut in der Landschaft zu erkennen. Die ehemalige Bahnstrecke schmiegt sich in die hügelige Landschaft ein, folgt Steigungen, überquert Senken über Dämme und entschwindet in Durchbrüchen durch Felsformationen.

 

Wir wissen, dass wir einer Teilstrecke des Wolkenzuges folgen. Dem Teil, der heute nicht mehr befahren wird. Und treffen damit auf eine Sehenswürdigkeit im Norden Argentiniens, den Viaducto La Polvorilla. Die Brücke ist noch gut im Schuss. Einmal die Woche fährt der Zug Touristen von Salta hier hoch. Dann erwacht dieser Stille Ort mit einem Mal. Händler und Bauern aus der Gegend reisen an, verkaufen Getränke, Esswaren und kleine selber hergestellte Souvenirs. Der Zug fährt einmal über die Brücke, dann geht es wieder retour. Am Abend sind die Touristen zurück in Salta. Und an der Brücke kehrt wieder Ruhe ein. Heute geniessen wir das Vidukt alleine, mit vielen neugierigen Ziegen.

 

Salpeter-Züge

Mitten in der Wüste. Mitten im Nirgendwo. Ein zerfallener Bahnhof. Hier steht ein Güterwagen, der vor sich hin rostet. Die Gebäude rund um den Bahnhof sind zerstört und eingefallen. Die Mauern werden wieder zu dem was sie einst waren: Sand. Sand und Steine aus der Wüste, in der sie gebaut wurden.

Ein Bahngleis führt vom zerfallenden Bahnhof schnurgerade durch die trockene Wüste. Die Schienen verlieren sich am Horizont. Irgendwo, ganz weit weg, am Ende der Geleise liegen die beiden ehemaligen Salpetergewinnungs-Anlagen Humberstone und Santa Laura. Hier, bei diesem einsamen Bahnwagen wurde die weggesprengte Salpeter-Erde verladen und zu diesen Anlagen transportiert.

 

Bahnlinien waren früher die Venen der Industrie. Sie waren Lebensader, weil mit Ihnen die Schwergüter einfacher und kostengünstig transportiert werden konnten. Zum Beispiel an die Küste zum Verlad in die ganze Welt. Starb eine Industrie, starb auch die Bahnlinie. Sie wurden betrieben, solange die dazugehörende Industrie oder der Bergbau florierte. Geister-Bahnstrecken kommen und gehen mit Industrien. Sie sind Teil des Aufbruchs und ein Zeichen des Niedergangs.

I hear the train a comin'
It's rollin' 'round the bend,
And I ain't seen the sunshine
Since, I don't know when

(Johnny Cash)

Anker 1
Anker 2

Informationen

Bahnstrecke

Ursprünglich verband die Bahn die argentinische Stadt Salta und Antifagosta in Chile. Ziel war der Warentransport vom argentinischen Norden an die Küste und zurück. Für den Bau der Eisenbahnverbindung der der amerikanische Ingenieur Ricardo Faintaine Maury verantwortlich. Er hat die Streckenführung mit den vielen Brücken, Tunnels und Viadukten auch geplant. Heute wird nur noch die Strecke von Salta zum Viadukt „La Polvorilla“ mit einem Touristenzug befahren.

 

Viadukt La Polvorilla

Das Viadukt liegt auf 4188 m und überspannt mit einer Länge von 224 eine Schlucht. Die Stahlteile für das Viadukt wurde aus England angeliefert und hier wieder zusammen gefügt. Rund 1‘600 Tonnen Stahl wurden verbaut. Die Höhe der Brücke ist knapp 64 Meter.

 

Touristenzug

Der Touristenzug „train de los nubes“ fährt einmal die Woche von Salta zum Viadukt. Es ist eine touristische Fahrt mit allem was dazu gehört: Musikgruppen, Trachten, Empfang von Verkäufern bei jedem Halt. Fast ein wenig zu viel des Guten, von einer ruhigen, nostalgischen Genussfahrt kann man eigentlich nicht sprechen. Begleitet wird der Zug von Geländewagen und einer Ambulanz. Die Höhe darf nicht unterschätzt werden, denn die Fahrt findet auf grossen Teilen über 2‘500 Meter Höhe statt. Jährlich sind es rund 30‘000 Touristen die durch die wunderbare Landschaft zum Viadukt fahren. Durchquert werden dabei Salzwüsten, Schluchten und grosse Höhenunterschiede.

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